der Sockengeier - Fliegt am Nordpol rum, hat keine kalten Füße und kann stricken.
Alles fing damit an, dass ihm sein strenger Vater immer mehr auf die Nerven ging. Ständig diese Sprüche wie "Es wird gegessen, was gerade vor sich hin stirbt" oder "Wenn ich so kalt wäre wie der da, hätte ich mich schon längst selbst gefressen" oder "Sind wir Geier oder Reiher? Los Junge, der ist noch warm" oder "Wer Aas sagt, der muss auch Bes sagen". Die sengenden Strahlen der täglichen Mittagssonne hatten seinem Alten wohl entgültig die Birne weich gekocht, dachte er.
Irgendwann schmeckte ihm auch das komische Essen nicht mehr. Und während die anderen lustig krächzend auf den Kadavern herum hüpften, wurde er mehr und mehr zum einsamsten Geier der Stadt. Seine einzige Freude war es, in den Büchern eines früheren Frühstücks lesen zu lernen. Es handelte sich dabei wohl um einen erfolglosen Notizblockverkäufer, der sich bei der Neukundensuche verzettelt hatte.
Eines Tages lernte er auf seinen Wanderungen durch die Wüste seine spätere Zugvogel-Freundin Molly, die Küstenseeschwalbe kennen. Sie fror auf ihrem langen Weg vom Südpol zum Nordpol und sie musste mal. Also beschloss sie, auf halber Strecke eine kurze Pause zu machen. Er staunte nicht schlecht, als sie ihm erzählte, wo sie her kam und vor allem, wo sie hin wollte. Da durchzuckte es ihn plötzlich und er erkannte seine einmalige Chance all den Kadavern zu entkommen. Sie war sehr überrascht, als er ihr sagte, dass er mit ihr fliegen wollte. Doch dann freute sie sich und konnte es kaum erwarten, ihn den anderen vorzustellen. So schnell es ging stolperte er nach Hause, um seine Bücher zu holen, denn Molly wollte wieder los.
Sie flogen zunächst eine Weile nach Westen, dann blinkte sie nach rechts und sie bogen in Richtung Nordpol ab. Da keiner der Geier einen richtigen Namen hatte, beschloss Molly ihn einfach Olli zu nennen. Vor Schreck über diesen Vorschlag hätte er fast einen Triebwerksschaden erlitten. Aber dann war er froh, dass sie ihn nicht Caruso oder Tweety getauft hatte. Sie quasselte wie ein Reiseführer auf einer Stadtrundfahrt. Olli sagte immer nur "ja" oder "oha". Und so verging die Zeit wie im Flug.
Der erste Winter am Nordpol war nicht einfach für Olli, denn er konnte nicht angeln und hatte ständig kalte Füße. Zum Glück war Molly eine gelernte Taucherin und hatte früher schon einmal im Hafen bei den Docks gearbeitet. Sie sorgte für das Essen. Olli fand in seinen Büchern eine Bastelanleitung für Weihnachtssocken. Sah gar nicht so schwer aus, dachte er. Aus alten Fischgräten baute er sich einige Stricknadeln. Die Wolle stellte er sich aus den Fellresten von Schneehasen her, die nicht mehr weglaufen konnten. Es dauerte ein Weile, bis ihm die Nadeln nicht mehr aus den Krallen rutschten. Er fand die Lösung in einem seiner Bücher, das von japanischen Nudelsuppen handelte...
Von da an war das Leben am Nordpol echt Klasse, denn er hatte keine kalten Füße mehr und seine gestrickten Socken wurden zum Verkaufsschlager. Später erweiterte er sein Angebot und strickte auch noch kleine Schlafsäcke. Sein Laden wurde immer bekannter. Molly gab die stressige Zugvogelei zwischen Nord- und Südpol auf und schmiss mit Olli zusammen den Laden, den sie "Wollig und Mollig" nannten. Wenn sie mal wieder Lust auf Badeurlaub hatten, flogen sie auf 'nen Sprung nach Island rüber oder im Sommer ab und zu nach Yellowstone.